Aus dem Leben eines Friedensnobelpreisträgers
Seit fast einem Jahr ist die Welt erlöst von einem Übel namens George W. Bush. Und die Personifizierung dieser Erlösung, so will man uns glauben machen, heißt Barack Obama, ein Kosmopolit, ein Botschafter des Friedens und der Völkerverständigung, der aufgehende Stern der letzten zwölf Monate. Vor einigen Tagen hat er sogar den Friedensnobelpreis erhalten. Wofür? Das wußte keiner so genau, inklusive der westlichen Presse, die sonst regelmäßig in einen Obamamania-Rausch verfällt, wenn der US-Präsident wieder hinausposaunt, wie er die Welt retten will.
Nicht einmal das Nobelkommittee wußte wirklich, weshalb der gebürtige Hawaiianer für den Preis reif sein sollte. Vieles hat er angekündigt, aber wenig tatsächlich verwirklicht – Zählbares kann Obama also nicht vorweisen. So mußte letztendlich die Begründung herhalten, daß der hochangesehene Preis auch für werdende Prozesse verliehen werden kann, möglicherweise gar, um dieselben zu beschleunigen. Wer aber hinter die Kulissen schaut, dem kommen schnell einige Zweifel daran, ob die Verleihung denn wirklich gerechtfertigt war – Zweifel, die weit über den Einwand hinausgehen, daß Obama den Nobelpreis nur zu früh erhalten habe.
Die Euphorie, mit welcher die Medien hierzulande für den smarten US-Boy werben, begann schon während des Präsidentschaftswahlkampfes im Sommer 2008. Durch die ganze Welt geisterten rührende Geschichten von bettelarmen Familien, die von ihrem letzten Hab und Gut ein paar Dollars abzwackten, um dem Präsidentschaftskandidaten Obama eine Wahlkampfspende zukommen zu lassen. Abertausende von Kleinspendern sollen die Kandidatur Obamas und später den Wahlkampf der demokratischen Partei finanziert haben, während sich die Republikaner am dem Napf der Großindustrie sattfraßen.
Verschwiegen wurde aber, daß Obamas Partei sehr wohl deftige Spendensummen von Seiten des Großkapitals erhielt. Während sich die Industrie vor allem hinter Obamas Konkurrenten John McCain scharrte, waren die Akteure der Wall Street mehrheitlich auf der Seite Obamas, darunter Multimilliardäre wie Georges Soros und Warren Buffett. Insgesamt erhielt er rund zwei Drittel seiner Spenden von Anwälten, Wall-Street-Finanziers und Hedge-Fonds sowie aus der Immobilienbranche und der Unterhaltungsindustrie. Besonders die Hedge-Fonds zeigten sich dem vermeintlich volksnahen Präsidentschaftskandidaten gegenüber deutlich spendabler als dessen Kontrahenden McCain. Seine Verlautbarung, er wolle keine Spenden von Lobbyisten haben, war nichts als eine glatte Lüge; die Fünf-Dollar-Scheine aus den Großstadtslums machten eindeutig den kleineren Teil aus.
Schon kurz nach seinem Amtsantritt dankte es der neue Präsident seinen Geldgebern. Sein Finanzminister Timothy Geithner pumpte Geldbeträge in das marode Bankensystem, gegen die die 480 Milliarden Euro des bundesdeutschen Rettungsfonds SoFFin geradezu lächerlich erscheinen. Unvorstellbare 1000 Milliarden Dollar will die Obama-Regierung den Banken zur Verfügung stellen! Diese Nachricht ließ im März die Kurse an der Wall Street in die Höhe schnellen. Der Nobelpreisträger Paul Krugman übte scharfe Kritik: »Funktioniert der Plan, machen die Investoren Kasse. Falls nicht, können sie ihren Schulden dank Staatsgarantie den Rücken kehren.« Damit unterstrich Obama seine geistige Nähe zur Chicagoer Schule, die die zentrale Denkfabrik des Neoliberalismus bildet und der auch der 2006 verstorbene Milton Friedman angehörte.
Innenpolitisch blieb unter Obama vieles beim Alten – so stellte sich der Präsident quer, als in der Öffentlichkeit debattiert wurde, ob man die seit 1986 außer Kraft gesetzte „Fairness-Doktrin“ wieder einführen solle, die die Medien zu einer objektiven Berichterstattung zwingen soll. Obama ließ kurzerhand wissen, daß er an der Wiedereinführung keinerlei Interesse habe.
Sein oberstes Prestigeobjekt seit seinem Amtsantritt ist bekanntlich das Folterlager Guantanamo. Der neue Präsident ließ alle Welt wissen, daß er dem grauenvollen Treiben ein Ende bereiten und das Lager schließen werde. Der Presse konnte man dieser Tage entnehmen, daß eine weitere Hürde auf dem Weg dorthin genommen worden sei, indem der Senat seine Zustimmung zur Verlagerung von Häftlingen in US-Hochsicherheitsgefängnisse gab. Was man jedoch in der Zeitung nicht oder nur in Randnotizen lesen konnte, war die Tatsache, daß die US-Regierung an der Praxis festhalten will, Terrorverdächtigte auf unbegrenzte Zeit ohne Gerichtsverfahren einzusperren. Davon wären rund 50 Guantanamo-Häftlinge betroffen. Dies gab das US-Justizministerium Ende September bekannt. Noch ist nicht geklärt, welche Verdächtigten vor zivilen und welche vor Militärgerichten angeklagt werden. Kritiker sprechen davon, daß die US-Regierung die Anklage vor zivilen Bundesgerichten fürchtet, da dann das ganze Ausmaß der Folter bekannt würde.
Von der geplanten Verlängerung des Patriotic Act, über die erst kürzlich der Senat und das Repräsentantenhaus debattierten, hat diesseits des Atlantiks ebenfalls kaum jemand Notiz genommen. Dieses Gesetz wurde nach dem 11. September 2001 verabschiedet und räumt den US-Geheimdiensten weitgehende Vollmachten zur Bespitzelung der Bevölkerung ein. Das Gesetz läuft noch bis 31. Dezember. Jetzt will die Obama-Regierung wesentliche Bestimmungen des Patriotic Act, die die Überwachung von Verdächtigten und die Herausgabe von personen- und geschäftsbezogenen Daten betreffen, verlängern.
Ebenfalls verschwiegen hat die Presse, daß die US-Regierung den Ausbau des Folterlagers im afghanischen Bagram anordnete, in dem die Zustände nach Angeben der NY Times viel schlimmer als in Guantanamo seien. Rund 600 Häftlinge, die dort stationiert sind, werden nach wie vor ohne Klagerecht eingesperrt. Erst vor vier Wochen bekräftigte Obama, daß er diesbezüglich an der Praxis seines Vorgängers Bush festhalten wolle und stieß damit Menschenrechtsaktivisten vor den Kopf.
Außenpolitisch beschränken sich Obamas Erfolge zumeist nur auf vollmündige Versprechungen. Der Truppenabzug aus dem Irak und der Abbruch des Verteidigungsprogramms in Osteuropa stehen derzeit auf der Tagesordnung. Ob man Obama im erstgenannten Vorhaben wirklich pazifistische Motive unterstellen kann, bleibt fraglich. Schließlich folgt er mit dem Abzug nur dem, was die Spatzen seit Jahren von den Dächern pfeifen, nämlich daß die Militärmission im Irak ein sinnloses Unterfangen ist, das die USA bisher unglaubliche 700 Milliarden Dollar kostete und die größte Volkswirtschaft der Welt noch weiter in den Ruin trieb. Wohl aber lassen es sich die Amis nicht nehmen, weiter einen Fuß in der Tür zu halten, indem sie die Militärmission in Afghanistan intensivieren wollen. Unlängst forderte Verteidigungsminister Robert Gates eine Aufstockung der Truppen um weitere 3000 Soldaten. Schon vor Monaten hatte Obama diesbezüglich bei seinen „tributpflichtigen Vasallen“ – um mit den Worten von Zbigniew Brzezinski zu sprechen – angefragt.
Die Existenz eben jenes Herrn Brzezinski läßt starke Zweifel daran wach werden, ob es Obama mit seinen friedvollen Ankündigungen wirklich so ernst meint wie er es ausspricht. Denn Brzezinski, der bereits außenpolitischer von Berater von Jimmy Carter war, steht auch Barack Obama als Einflüsterer zur Seite. Er war der Architekt des zerstörerischen Krieges der Taliban gegen die Russen., denen er seinerzeit ihr „eigenes Vietnam“ bescheren wollte. Brzezinski gilt als Vertreter einer globalen Vorherrschaft der USA, was er in seinem Buch „Die einzige Weltmacht“ festhielt. Stets und ständig war er beschäftigt, die Bedrohung der weltweiten US-Dominanz aus Zentralasien zu bekämpfen, indem er dafür eintrat, destabilisierende und separatistische Bewegungen zu unterstützen – etwa Leute vom Schlage eines Saakaschwili in Georgien; ferngesteuerte Marionetten, die man an der langen Leine führen kann und ihnen im eigenen Interesse erlaubt, ein wenig aufzumucken, um sie dann im rechten Moment fallen zu lassen. Daß die USA unter seinem Einfluß plötzlich zum guten Kumpel von Putin und Medwedjew werden, scheint schwer zu glauben.
Obamas Verteidigungsminister Robert Gates ist ebenfalls kein Kind von Traurigkeit. Er diente bereits im Bush-Kabinett und gilt als Vertreter der atomaren Erstschlagstrategie, was nur überhaupt nicht mit den angeblichen Bemühungen Obamas um eine atomwaffenfreie Welt zusammenpaßt. So werden sich die Anstrengungen der US-Regierung hinsichtlich nuklearer Abrüstung wohl darauf beschränken, Bösewichte wie den Iran davor abzuhalten, eigene Atomwaffenprogramme zu entwickeln, während die USA und Israel weiterhin aufrüsten.
Im Konflikt mit dem Iran verhält sich Barack Obama ganz nach westlicher Manier – den anderen Vorschriften machen, für die man sich in den eigenen vier Wänden einen Dreck interessiert. So ist die „Weltgemeinschaft“ unter amerikanischer Federführung nach wie vor bemüht, den Iran an seinem Atomwaffenprogramm zu hindern. Natürlich auf diplomatischem Wege, wenngleich Obama in seiner Zeit als Senator äußerte, daß man eine militärische Lösung des Irankonflikts nicht ausschließen dürfe.
Alles in allem scheint es, als wolle Obama die globale Vormachtstellung nicht mit der Brechstange erzwingen, aber auf etwas eleganterem Wege dasselbe bewirken – frei nach dem Motto: Wir sind der Chef im Haus aber wir wollen, daß ihr alle damit einverstanden seid. Eines muß man ihm lassen: Er stellt sich definitiv sehr viel geschickter an als sein Vorgänger. Deshalb wird er von der bundesdeutschen Presse vergöttert, was aber mitunter auch an seiner Hautfarbe liegen könnte.
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