Das Terrormärchen hat Geburtstag
Zwölf Monate ist es schon wieder her, daß die etablierte
Journaille jäh aus ihren Herbstdepressionen gerissen wurde: Am 4.
November 2012 wurde das Zwickauer „Terror-Trio“ – zynisch könnte
man von einer terroristischen Gesellschaft des öffentlichen Rechts
sprechen – „entlarvt“ wurde. Wie hungrige Raben stürzten sich
die Schreiberlinge zwischen Garmisch und Flensburg auf den Fall: Nie
zuvor in der BRD-Geschichte wurde die Berichterstattung so sehr von
einem „Nazi-Thema“ beherrscht.
An jenem Freitag soll es sich zugetragen haben, daß die
„Nazi-Terroristen“ Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach einem mißglückten
Banküberfall in einem Wohnwagen Selbstmord begingen. Am Nachmittag
soll dann ihre Komplizin Beate Zschäpe die gemeinsame Wohnung in
Zwickau in Brand gesteckt haben. Nach vier Tagen Flucht soll sie
sich der Polizei gestellt haben. Das Trio wurde wegen mehrerer Banküberfälle
lange gesucht. Durch ein sogenanntes Bekennervideo steht die Gruppe
seither zusätzlich im Verdacht, zwischen 2000 und 2007 neun
Immigranten und eine Polizistin ermordet sowie einen
Nagelbombenanschlag verübt zu haben.
Man konnte am Geruch der Druckerschwärze bereits erahnen, daß die
ganze „Story“ nur darauf wartet, in einen Zusammenhang mit der
NPD gebracht zu werden. Und tatsächlich, wenige Wochen danach
wurden schon die ersten (ehemaligen) Parteimitglieder als
Terror-Helfer medienwirksam in Untersuchungshaft gezerrt, begleitet
von mahnenden Rufen ganzer Hekatomben von Gutmenschen: Seht her, wir
wußten es schon immer, daß das die Bösen sind, hättet ihr nur
auf uns gehört! Die Bild-Zeitung buddelte gar Aufnahmen aus, die
belegten, daß der Parteivorsitzende in Holger Apfel den 90ern eine
Demonstration angemeldet hatte, bei der auch Teile der Terror-Crew
anwesend war. Zur nicht ganz so großen Überraschung plärrte das
NPD-Verbotsgeheul aus allen Winkeln der Republik, wie schon bei
Sebnitz, Mügeln, Mannichl, Breivik usw. usf.
Nach gar nicht allzu langer Zeit, nämlich Anfang Februar 2012, mußte
der Generalbundesanwalt kleinlaut verkünden, daß ein direkter
Zusammenhang zwischen NPD und NSU nicht nachzuweisen sei. Im Juni
entließ man den JN-Anwärter André E. (der es nach Angaben des
JN-Bundesvorsitzenden nie zum JN-Mitglied geschafft hat) aus der
Untersuchungshaft – es fehle der dringende Tatverdacht, so der
Bundesgerichtshof. Ihm wurde vorgeworfen, das höchst skurrile
Bekennervideo produziert zu haben. Zur Stunde weiß offenbar
niemand, woher dieses Video eigentlich stammt.
Inzwischen ist nur eine einzige Berührungsstelle zwischen NPD und
NSU übrig geblieben: der mutmaßliche Lieferant der Mordwaffe Ralf
Wohlleben war bis 2010 NPD-Funktionär in Thüringen. Er soll von
den Mordplänen gewußt haben und gilt gewissermaßen als Nummer
vier im Terror-Netzwerk. Nicht ganz im Sinne derer, die über den
NSU-Komplex mehr wissen als sie zugeben, dürfte gewesen sein, daß
erst im September öffentlich darüber spekuliert wurde, ob
Wohlleben ein V-Mann war. Ein ehemaliger Unterabteilungsleiter im
Bundesinnenministerium will sich im Zusammenhang des 2003
gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens erinnert haben, daß Wohlleben
zu dieser Zeit im Sold des Verfassungsschutzes gestanden habe.
Im Namen des Staates Mordwaffen zu beschaffen ist bei Geheimdiensten
nicht selten und gerade in der Bundesrepublik Deutschland gängige
Praxis. Zwei Wochen vor den Spekulationen um Wohlleben erfuhr die Öffentlichkeit,
daß der Sprengstofflieferant des Trios für den Verfassungsschutz
arbeitete. Man fühlt sich an den Wirbel um den Münchner Martin
Wiese erinnert, der seinerzeit von dem VS-Agenten Didier M. mit
Sprengstoff beliefert sowie „maßgeblich geprägt und
angeleitet“ (www.welt.de, 26.07.2004) wurde. Und auch der Franzose
M. war in seiner Eigenschaft als staatsbezahlter Bombenkurier nicht
der erste seines Schlages.
Sein Einkommen vom Innenministerium erhielt auch ein als „kleiner
Adolf“ in die Medienberichterstattung eingegangener VS-Agent. Er
saß in einem Kasseler Internetcafe, als im Jahr 2007 der letzte der
Döner-Morde begangen wurde. Von dem Mord will er nichts mitbekommen
haben. Weitere fünf Mal befand er sich während einer Mordtat in
derselben Stadt. Warum diese Person und seine Vorgesetzten nicht in
U-Haft gesteckt oder vor einen der zahlreichen Untersuchungsausschüsse
gezerrt werden, bleibt das Geheimnis derer, die dies erfolgreich
verhindern. Solche Meldungen fackeln in der Berichterstattung kurz
auf, verschwinden schnell und interessieren anschließend keinen
mehr.
Die Organisation, aus der das NSU-Trio hervorging, war der Thüringer
Verfassungs-, Verzeihung, Heimatschutz (THS). Der Versprecher kommt
nicht von ungefähr, war diese Gruppierung doch wie keine zweite in
der rechten Szene von bezahlten Agenten durchsetzt. Bis zu 12
V-Leute sollen zwischen 1997 und 2003 im THS ihr Schnüffelwesen
getrieben haben; allen voran Scharfmacher Tino Brandt, der sich mit
200.000 D-Mark honorieren ließ. Davon sollen 2000 Mark auch in
Richtung des Terror-Trios geflossen sein, damit dieses sich von dem
Geld mit falschen Ausweisen eindecken konnte.
Die Lüge vom ahnungslosen Verfassungsschutz und dem Untertauchen
des angeblichen Mördertrios ließ sich ab Bekanntwerden dieser
Zahlung nicht mehr halten. Auch die im Mai 2011 veröffentlichten
Fotos, die die drei vermeintlichen Terroristen beim Campingurlaub
zeigen, konnten den Verdacht nicht gerade erhärten, daß es sich
beim NSU um eine professionelle Mördergruppe gehandelt hat, die
mehr als ein Jahrzehnt lang geschickt den Behörden durch die Lappen
ging und im untergründigsten aller Untergründe ihr Mordwesen
trieben. Zuvor schon war bekannt geworden, daß bereits 2001 –
also schon nach Beginn der Morde – die Verhaftung des Trios durch
das LKA Thüringen in letzter Minute gestoppt wurde. War das auch
nur eine „Panne“? Schon mal eine Polizeibehörde gesehen, die
eine Verhaftung „aus Versehen“ unterbindet?
Kritik am Verfassungsschutz haben wir seither aus aller Munde gehört.
Doch alle etablierten Medien verbreiten beharrlich die These, daß
an der Urheberschaft des NSU für die zehn Morde kein Zweifel
bestehe und daß dem Verfassungsschutz nichts anderes vorzuwerfen
sei, als grobe Ermittlungspannen im Zusammenhang mit dem Trio. Ist
das eine ausreichende Erklärung dafür, daß es unmittelbar nach
dem Auffliegen der Gruppe in mehreren Landesämtern eine großangelegte
Aktenvernichtung gegeben hat? Erwähnenswert ist insbesondere, daß
die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag noch im November 2011 einen
Dringlichen (aber erfolglosen) Antrag gestellt hat unter dem Titel
„Mögliche Aktenvernichtung beim ,Landesamt für
Verfassungsschutz’ sofort stoppen – Spitze des Geheimdienstes
sofort vom Dienst suspendieren – mögliche Beweismittelvernichtung
verhindern“.
Versetzen wir uns mal an den Anfang zurück und fragen, welche
Beweismittel überhaupt gegen die vermeintlichen Täter vorliegen?
Da wäre zum ersten das höchst skurrile Video, zusammengeschnipselt
aus Paulchen-Panther-Szenen und Fotos von den Tatorten. An keiner
Stelle ist ein NSU-Mitglied zu sehen, das sich in irgendeiner Weise
zu der Tat bekennt – jeder, der über das nötige technische
Knowhow und die Aufnahmen von den Tatorten verfügt, könnte dieses
Video erstellt haben. Die einzige Person im Umfeld der NSU, die
hierfür infrage kommt, ist – wie oben erwähnt – mangels
dringendem Tatverdacht längst auf freiem Fuß. Das Video soll
angeblich von Zschäpe höchstselbst an diverse Adressen verschickt
worden sein – Beweismittelvernichtung sieht anders aus.
Dann gibt es noch mehrere Fundstücke in der Zwickauer Wohnung, die
mehrere Stunden lang lichterloh in Flammen stand. Ein Chemnitzer
Feuerwehrmann äußerte öffentlich seine Verwunderung darüber, daß
die Ermittler in den Trümmern überhaupt irgendetwas gefunden
haben. Wie dem auch sei, angeblich gefunden wurde die vermeintliche
Tatwaffe in einem komplett zerschmolzenen Zustand sowie eine
Jogginghose, auf der man Blutspuren der 2007 ermordeten Polizistin
Michele Kiesewetter nachgewiesen haben will.
Die Tatwaffe selbst ist ein weiteres Mysterium. Berichten zufolge
soll sie mehrere Wochen vor den Ereignissen vom 4. November 2011 dem
Verfassungsschutz in einem schmutzigen Geschäft von einem Türken
angeboten worden sein. Der Türke behauptete, diese Pistole sei die
Mordwaffe in der Serie der Döner-Morde. Er selbst sei an einem
dieser Morde beteiligt gewesen und wolle sie dem VS gegen
Zusicherung von Straffreiheit aushändigen. Das Geschäft ist den
Angaben zufolge nicht zustande gekommen.
Daß die Mörder in der Tat lange Zeit in Strukturen der
organisierten Kriminalität vermutet wurden, wurde von den
etablierten Medien nach Präsentation der Zwickauer
„Terrorzelle“ völlig unter den Tisch gekehrt. Ins Muster würde
dies jedoch sehr viel besser passen – es soll dabei um Drogen und
Geldwäsche gegangen sein; hierbei sind türkische Kleinunternehmer
eher das Zielobjekt, als bei Taten, die durch Ausländerfeindlichkeit
motiviert sind. Oder gibt es irgendeine schlüssige Erklärung dafür,
weshalb der NSU gerade türkische Dönerbuden-Besitzer auf seine
Liste gesetzt hat, mal ganz abgesehen davon, daß der Mord an
Michele Kiesewetter völlig aus dem Muster fällt?
Was die Jogginghose betrifft, so muß man sich doch sehr wundern, daß
ein Mördertrio, das über zehn Jahre lang unerkannt bleibt, ein
derart brisantes Beweisstück über Jahre hinweg in der Wohnung
aufbewahrt.
Es gibt jedoch weitere Beweismittel, von denen man in den Medien
wenig bis gar nichts erfährt – so etwa die Aussage eines Zeugen,
der bei dem ausgebrannten Wohnwagen in Zwickau eine Person gesehen
haben will, die denselben gerade verließ. Das Gefährt befand sich
mitten in einem Wohngebiet, aber kein Anwohner hatte Schüsse gehört
– beides legt den Verdacht nahe, daß Böhnhardt und Mundlos
ermordet wurden und bereits tot waren, als der Wohnwagen in Zwickau
deponiert wurde.
Höchst fragwürdig ist auch, weshalb an dem besagten 4. November
mehrere Anrufe von Polizei und Innenministerium auf dem Mobiltelefon
von Beate Zschäpe eingingen. Die von der Polizei hervorgebrachte
Erklärung, daß man nach dem Wohnungsbrand in Zwickau prüfen
wollte, ob Zschäpe sich noch in dem flammenden Inferno befand, hält
einer Überprüfung nicht stand – erfolgte der erste Anruf schließlich
mehr als drei Stunden vor dem Wohnungsbrand. Sehr zweifelhaft hört
sich auch die Erklärung an, wonach Zschäpes Handynummer von einer
Nachbarin ermittelt worden sein soll. Welcher untergetauchte
Terrorist hinterläßt bitteschön eine Telefonnummer bei den
Nachbarn!? Hatten Mitarbeiter des sächsischen Innenministeriums
vielleicht mehr Kontakt zu Zschäpe als sie zugeben wollen?
Schon kurz nach den Ereignissen, die den NSU vom Untergrund in den
Fokus der Berichterstattung katapultierten, wurde spekuliert, ob
Beate Zschäpe für den Verfassungsschutz arbeitete. Diese Vermutung
wurde freilich schnell dementiert; angeblich soll der
Verfassungsschutz hierzu Einblick in seine „V-Mann-Listen“ gewährt
haben. Nach einer Serie von Lügen und Vertuschungen ist allerdings
nicht unbedingt zu erwarten, daß der VS eine Auflistung präsentiert,
deren Inhalt der Wahrheit entspricht und vollständig ist.
Der linke Journalist Jürgen Elsässer zitiert in dem von ihm
geleiteten Polit-Magazin „Compact“ einen Untersuchungsbericht,
der von dem ehemaligen Richter am Bundesgerichtshof Gerhard Schäfer
im Auftrag der Landesregierung von Thüringen erstellt wurde. Elsässer
zufolge wird an vier Stellen im Bericht darauf hingewiesen, daß
Mitglieder der Terror-Gruppe, insbesondere Beate Zschäpe, möglicherweise
für den Verfassungsschutz arbeiteten. So habe unter anderem der
Leiter der Zielfahndung am 14. Februar 2012 wörtlich Folgendes
wiedergegeben:
„Die Befragungen von Kontaktpersonen und Familienangehörigen führte
zu dem Schluß, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit eine der gesuchten
Personen als Quelle durch den Verfassungsschutz geführt wurde.“
Deutlicher geht es nur noch, indem man die Worte „mit hoher
Wahrscheinlichkeit“ durch „mit Sicherheit“ ersetzt. Das
schreibt ein Mann, der mitten in der Ermittlungsarbeit steckt und
wohl nicht im Verdacht steht, rechtsextrem motivierte Mordtaten in
irgendeiner Weise beschönigen zu wollen!
Pleiten, Pech und Pannen beim Verfassungsschutz? Mitnichten. Wer im
nationalen Widerstand politisch aktiv ist, weiß, wie gut selbst die
Polizei – und die zählt sich für gewöhnlich nicht zu den
Inlandsgeheimdiensten – über die banalsten Dinge in der
politischen Arbeit Bescheid weiß. Daß sowohl der
Verfassungsschutz, als auch die Polizeibehörden bis hinauf zum
Bundeskriminalamt über einen derart langen Zeitraum auf so
eklatante Weise versagen, ist kaum vorstellbar.
Wie dem auch sei – es spricht manches dafür, daß wir die
Wahrheit über den NSU und die Döner-Morde niemals erfahren werden.
Aber selbst die Dinge, die wir zur Stunde als gesicherte Erkenntnis
annehmen können – etwa die Beschaffung von Sprengstoff durch
einen VS-Agenten – reichen aus, um die Behauptung von den
nichtswissenden und dilettantischen Verfassungsschutzämtern als
gigantische Verlogenheit zu entlarven und diese dubiose Institution
als das Gegenteil dessen abzustempeln, was sie vorgibt zu sein. Was
wir mit dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ erleben, ist
die größte Geheimdienstlüge in der Geschichte dieses Staates!
|