Exportweltmeister
Deutschland - Mythos und Realität
Tagtäglich hören wir es im Fernsehen oder lesen es in
der Zeitung, spätestens dann, wenn die neuen Arbeitslosenzahlen
veröffentlicht werden: Deutschland profitiere von der
Globalisierung, der Export sei der Motor unserer Wirtschaft und ohne
freie Märkte bekämen wir wirtschaftlich keinen Fuß auf den Boden.
Diesen Sachverhalt wollen wir hier einer kritischen Analyse
unterziehen.
Zunächst einige Zahlen: Im
Jahr 2008 exportierte die Bundesrepublik Deutschland Güter und
Waren im Wert von 994,87 Milliarden Euro ins Ausland. Demgegenüber
standen Importe in Höhe von 818,62 Milliarden Euro. Das ergibt
einen Handelsbilanzüberschuß in Höhe von 176,25 Milliarden Euro
oder 21,5 Prozent der Importe.
Hierzu sind zwei Bemerkungen angebracht, die diese von den Medien
propagierte Zahl in ein anderes Licht rücken. Erstens ist nicht die
Handelsbilanz, sondern die Leistungsbilanz relevant. Diese
berücksichtigt zusätzlich Importe und Exporte von
Dienstleistungen. Der Leistungsbilanzüberschuß fällt im Vergleich
zum Überschuß in der Handelsbilanz um einige zehn Milliarden
geringer aus - was nicht zuletzt an der EU-Osterweiterung liegt, da
seit dem 1. Mai 2004 polnische Billigarbeiter ihre Dienstleistungen
in Deutschland anbieten können, ohne dabei in unsere Sozialkassen
zu zahlen.
Zweitens ist der Wert der deutschen Importe zu niedrig angesetzt, da
die exportierten Güter oftmals einen hohen Anteil an importierten
Waren enthalten, die am "Standort D" nur weiterverarbeitet
wurden. Nach dem Buchautor Manfred Julius Müller beträgt der
deutsche Wertschöpfungsanteil an vielen Automobilen "made in
germany" nur noch rund 30 Prozent. Auf www.innovations-report.de
heißt es hierzu (Zahlen zum Jahr 2005): "Bezogen auf den Wert
der Exporte ist der ausländische Anteil an der Wertschöpfungskette
der deutschen Exporte kontinuierlich gewachsen. Die bei der
Produktion von Waren und Dienstleistungen für den Auslandsmarkt
eingesetzten importierten Vorleistungen hatten 2005 einen Anteil von
22,6% am Export. Nur zu Handelszwecken oder zur Lohnveredelung vorübergehend
nach Deutschland eingeführte Waren trugen 17,0% zum Export bei. Das
ergibt zusammen einen Importanteil der Exporte von 39,6%."
Oftmals wird dieser Umstand in den Statistiken nicht entsprechend
korrigiert.
Wenn man sich die wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik
ansieht, so haben westliche Staaten eindeutig die Nase vorn. So
werden die ersten fünf Plätze unter den Ländern, in die
Deutschland ausliefert, von Frankreich, den USA, Großbritannien,
den Niederlanden und Italien eingenommen. Ausfuhren in die Staaten
Westeuropas (EU-Staaten vor 2004 plus Schweiz und Norwegen) sowie
Japan und die USA machten bereits 65 Prozent aller deutschen Exporte
aus. Gleichzeitig spielen die zwölf EU-Beitrittsstaaten von 2004
und 2007 mit 11,7 Prozent nur eine untergeordnete Rolle. Man kann
also wahrlich nicht behaupten, daß der Aufschwung in Osteuropa die
Ursache für die Belebung des deutschen Arbeitsmarktes zwischen 2005
und 2008 gewesen sei.
Deutschland exportiert also hauptsächlich in Staaten, die ein
ähnlich hohes Lohnniveau besitzen. Dies erscheint auch logisch, da
hierzulande vor allem technologisch hochwertige Waren produziert
werden. Im Jahr 2008 waren die wichtigsten deutschen Exportwaren
Kraftwagen und Kraftwagenteile (174 Milliarden Euro), Maschinen (147
Mrd. Euro) sowie chemische Erzeugnisse (138 Mrd. Euro). Diese Güter
sind nicht zum Billigpreis zu haben und daher für wirtschaftlich
unterentwickelte Bananenrepubliken oft nicht erschwinglich.
Gegenüber Staaten, die in Hinblick auf Lohnniveaus, Umwelt- und
Sozialstandards mit Deutschland vergleichbar sind, wären
Zollschranken aber auch nicht nötig. Denn solche Handelshemmnisse
sind kein Ausdruck nationalistischer Kommandowirtschaft, sondern ein
nötiges und legitimes Mittel zum Schutz der eigenen Wirtschaft vor
Lohndumping, Arbeitsplatzverlagerung und einer Schwemme von
Billigimporten, die in Drittwelt- und Schwellenländern Ausbeutung
und Umweltzerstörung bewirken. Man denke etwa an China, wo ein
Arbeiter im Monat umgerechnet 50 Euro verdient, im Jahr nur fünf
unbezahlte Urlaubstage hat und auf Großbaustellen in den Metropolen
Ostchinas Arbeitsbedingungen ausgesetzt ist, die einem Europäer die
Sprache verschlagen! Jedes Jahr sterben 2,2 Millionen Menschen bei
Arbeitsunfällen - auf das Reich der Mitte entfällt dabei der
Löwenanteil. Daran denkt man leider nicht, wenn man durch den IKEA
schlendert oder bei Deichmann neue Turnschuhe kauft.
Da sind wir auch schon bei der Frage, aus welchen Staaten
Deutschland seine Importe bezieht. Platz eins und zwei nehmen hier
unsere Nachbarstaaten Niederlande und Frankreich ein. Auf Platz drei
folgt - wen wundert's? - China mit eingeführten Waren im Wert von
59,4 Milliarden Euro. Der Staat also, der nach die USA die meisten
Klimagase in die Atmosphäre bläst, in dem Spielwaren mit Blei und
Formaldehyd sowie Milchprodukte mit Melanin verseucht sind und der
die Existenz von sächsischen Kunsthandwerkern durch Billigplagiate
bedroht!
Wenn die Politik vom Exportweltmeister Deutschland schwärmt,
vergißt sie auch zu gerne, daß die Globalisierung der Wirtschaft
den deutschen Sozialstaat abschlachtet. Wie sonst soll man es
interpretieren, daß Experten vor der Einführung eines
branchenübergreifenden Mindestlohns warnen, da dieser bis zu zwei
Millionen Arbeitsplätze gefährde? Wie kann man die Tatsache, daß
die Reallöhne der unteren Einkommensschichten zwischen 1995 und
2006 um 13,7 Prozent nach unten gingen, anders deuten? Wie läßt es
sich sonst erklären, daß es im Jahr 2007 - trotz
"Jobwunder" - rund 1,5 Millionen
sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze weniger gab als noch
1997?
Ausbeutung und
Umweltzerstörung auf der einen Seite - Abschlachtung des
Sozialstaats und Lohndumping auf der anderen Seite. Die Profiteure
der Globalisierung sind weder die Menschen in Deutschland, noch die
in der Dritten Welt, sondern allein die großen Konzerne, die ihre
Produkte an Billigstandorten produzieren und dank dem Abbau von
Handelsschranken in aller Welt absetzen. Niemand
will die Wichtigkeit des Exports für die deutsche Volkswirtschaft
leugnen. Dennoch muß sichergestellt werden, daß wir in Deutschland
nicht die soziale Sicherung zugunsten der Profitinteressen der
Industrie in Vergessenheit geraten lassen.
Für uns Nationale ist Globalisierung gleichbedeutend mit der
weltweiten Vorherrschaft der Diktatur des Kapitals und der
Versklavung aller arbeitenden Menschen auf diesem Planeten. Wir
stellen der globalisierten Wirtschaft das Konzept der
raumorientierten Volkswirtschaft entgegen. Regionale
Wirtschaftskreisläufe sind zu fördern, da sie näher am Menschen
sind und Umwelt und Verkehrswege nicht durch den exponentiell
wachsenden Transportirrsinn belasten. Der Welthandel hat allenfalls
eine ergänzende Funktion. Wenn ein Staat Waren nach Deutschland
einliefern will, die gewissen Mindeststandards im Hinblick auf
soziale Sicherung und Umweltschutz nicht genügen, so sollen diese
mit zusätzlichen Abgaben belastet werden. Es kann nicht angehen,
daß diejenigen zu den Gewinnern eines Wirtschaftssystems gehören,
die die Menschen ausbeuten und die Natur zerstören!
Für uns gilt daher der vielzitierte Grundsatz, daß die Wirtschaft
dem Volke zu dienen hat und nicht umgekehrt!
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